BGH stellt klar: Erfüllung einer Untersuchungs- und Rügeobliegenheit (§ 377 Abs. 1 HGB) setzt nicht immer ein Sachverständigengutachten voraus
In seinem Urteil vom 24.02.2016 – VII ZR 38/15 hat der BGH nochmals klargestellt, dass es keine schematische Bestimmung gibt, wonach der Käufer die ihm übergebenen Waren immer durch einen Sachverständigen zu untersuchen hat.
Im zu entscheidenden Fall hatte der Käufer von Walzenzapfen, die für die Trocknungsanlage von Klärschlamm eingebaut werden sollten, die gelieferte Ware einer Sichtprüfung unterzogen. Nach dem Einbau stellten sich Mängel an der Ware heraus. Der Verkäufer lehnte seine Einstandspflicht mit der Begründung ab, der Käufer habe seine Untersuchungs- und Rügeobliegenheit dadurch verletzt, dass er für die Untersuchung der Ware keinen Sachverständigen herangezogen habe.
Der BGH lehnt diese Auffassung ab und stellt klar, dass es keinen Automatismus gibt, wonach eine Untersuchung durch einen Sachverständigen durchgeführt werden müsste. Vielmehr sei darauf abzustellen, welche Maßnahme ein ordentlicher Kaufmann in der konkreten Situation im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsverkehrs zur Wahrung seiner Gewährleistungsrechte ergreifen würde. Dabei hat er die schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zu beachten. Aus diesem Grunde sei die richtige Wahl der Untersuchung immer auch Ergebnis einer Interessenabwägung.
Welche Maßnahmen dem Käufer noch zugemutet werden können, hänge unter anderem davon ab, mit welchem Zeit- und Kostenaufwand zu rechnen wäre, über welche technischen Prüfungsmöglichkeiten der Käufer verfüge, ob und welche technische Sachverstand erforderlich sei, welche Branchengepflogenheiten bestünden, die Schwere des zu erwartenden Mangel- und Mangelfolgeschadens, die Auffälligkeit der Ware, frühere Lieferung mangelhafter Waren, Erkennbarkeit des Mangels nur bei Zerstörung bzw. Beschädigung der Ware, sowie die Frage, ob der Mangel bei Anlieferung oder erst bei Installation erkennbar sei.
Der BGH hat mit dieser Entscheidung die Neigung der Rechtsprechung, dem Käufer eine zu weitgehende Untersuchungs- und Rügeobliegenheit aufzuerlegen, eine Absage erteilt.
Dr. Pils