„Schlechter Preis bleibt – nicht – schlechter Preis“
Das Kammergericht Berlin stellt mit seiner – nicht rechtskräftigen – Entscheidung vom 10.07.2018 – 21 U 30/17 die Berechnung des Mehrvergütungsanspruches nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B auf neue Füße. So soll es nicht mehr – wie der BGH vorgibt – zu einer Preisfortschreibung anhand der dem Vertrag zugrunde liegenden Kalkulation des Unternehmers („vorkalkulatorische Preisfortschreibung“) kommen. Vielmehr soll vorrangig als Berechnungsgrundlage der tatsächliche Mehr- und Minderkostenaufwand heran gezogen werden. Dabei soll die bisherige Faustregel: „Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis“ soweit abgeändert werden, dass ein „schlechter Preises“ über einen positiven Mindestzuschlag nicht mehr als schlechter Preis fortzuschreiben ist. Denn die Fortschreibung des schlechten Preises führe angesichts des einseitigen Anordnungsrechtes des Auftraggebers zu einem unangemessenen Ergebnis. Dabei sieht das Kammergericht seinen Ansatz nicht im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung, da die „vorkalkulatorische Preisfortschreibung“ als Hilfsmittel für den Fall, dass die behaupteten Ansätze für Mehr- und Minderkosten entweder nicht ermittelt werden können oder bestritten werden, erhalten bleibt.
Der Entscheidung lag folgender – verkürzter – Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger, ein Generalunternehmer, war mit der Errichtung eines Objekts mit mehreren Wohneinheiten beauftragt. Für das Vorhaben war mittels Raumbücher ein Mindeststandard definiert. Die Beklagten erwarben eine Wohneinheit im Objekt. Der Kläger wurde für diese Wohneinheit von den Beklagten unmittelbar beauftragt. Die Klägerin führte Sonderwünsche der Beklagten aus, über deren Vergütung als Mehr- und Minderkosten die Parteien streiten.
Zunächst stellt das Kammergericht fest, dass der Kläger hinsichtlich der ausgeführten Sonderwünsche nach § 2 Abs. 5 VOB/B die Mehrvergütung spitz abrechnen kann. Dabei sind die Mehrvergütungsansätze wie folgt zu ermitteln:
Die dem Unternehmer tatsächlich entstandenen Kosten sind im Vergleich zu den Kosten des nicht abgeänderten Bauentwurfs zu setzen. Der tatsächliche Kostenansatz sei zutreffend, weil sich die Kosten für die geänderter Leistung zumeist nicht aus der ursprünglichen Kalkulation herleiten lässt, da der Detaillierungsgrad des Leistungsverzeichnisses zu gering oder die Art der Leistungsänderung dort nicht erfasst ist. Um seinen Berechnungsansatz zu erläutern und zu rechtfertigen, führt das Kammergericht diverse Berechnungsmodelle durch. Diese lassen sich im Wesentlichen zusammenfassen:
In einem ersten Schritt werden die kalkulierten Kosten der Teilleistung den tatsächlichen Kosten der geänderten Teilleistung gegenüber gestellt, die Differenz bildet den ersten Teil des Mehrvergütungsanspruches. Bestreitet der Auftraggeber den kalkulierten Kostenansatz, so muss darüber Beweis erhoben werden. Dann kommt es darauf an, ob die vom Unternehmer behaupteten hypothetisch gebildeten Kosten tatsächlich verifiziert werden können.
In einem zweiten Schritt wird der Zuschlagsfaktor ermittelt. Dieser ermittelt sich aus dem Verhältnis des angebotenen Einheitspreises zu den Einzelkosten der Teilleistung wie sie der Kalkulation zu Grunde gelegt wurden zzgl. der Baustellengemeinkosten. Liegt der so ermittelte Faktor > 1 wird die Differenz zwischen den kalkulierten Kosten der Teilleistung zu den tatsächlichen Kosten der geänderten Teilleistung mit diesem Faktor multipliziert. Dadurch bleibt der gute Preis ein guter Preis.
Liegt der Zuschlagsfaktor < 1 tritt das Gegenteil ein. Ein schlechter Preis bleibt so ein schlechter Preis.
Letztere Vorgehensweise hält das Kammergericht für nicht gerechtfertigt, da der Unternehmer sich der Anordnung des Bauherrn fügen muss, ohne die Möglichkeit zu haben über den Preis neu zu verhandeln. Das Kammergericht sieht hier die Äquivalenz gestört, die durch einen angemessenen Zuschlagfaktor wieder her zu stellen ist. Da sich aus § 2 Abs. 5 VOB/B nicht herleiten lässt, was ein angemessener Zuschlagsfaktor ist, greift das Kammergericht auf die in §§ 649 Satz 3, 648a V, Satz 2 BGB a.F. vorgenommene Wertung zurück. Danach spricht eine Vermutung dafür, dass dem Unternehmer 5 % der vereinbarten Vergütung zustehe. Das Kammergericht wertet dies so, dass das Gesetz von einem Zuschlagsfaktor von 20/19 (= 1,0526) ausgeht. Dabei soll es sich um einen Mindestzuschlag handeln. Mit diesem Mindestzuschlag ist für den Fall, dass der Unternehmer einen „schlechten Preis“ kalkuliert hat, der Differenzbetrag zwischen den kalkulierten und den tatsächlichen Kosten zur Ermittlung des Mehrvergütungsanspruches zu beaufschlagen. Ein einmal schlechter Preis wird so zu einem „angemessenen“ Preis.
Ein Argument für diese Herangehensweise sieht das Kammergericht darin, dass es der Unternehmer nicht allein in der Hand haben soll, durch ein Verschieben der Kostenanteile aus der Kostendeckung in den Zuschlag für sich eine Hebelwirkung generieren zu können. Denn je höher die Verschiebung umso höher der Faktor umso höher die zu berechnende Mehrvergütung.
Einen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sieht das Kammergericht nicht, da die vorkalkulatorische Preisfortschreibung als Hilfsmittel zur Berechnung des Mehrvergütungsanspruches erhalten bleibt. Zudem habe sich der BGH bisher nichts mit der Ebene der Kostenermittlung beschäftigt.
Es bleibt abzuwarten, ob noch weitere Oberlandesgerichte dieser Auffassung aufgreifen und vertreten.
Dr. Pils
Rechtsanwältin